Information für Pflegende und Ärzte

Immer mehr Menschen werden immer älter – und viele von ihnen haben Angst, pflegebedürftig zu werden, haben Angst, ob ihre existenziellen Wünsche und Bedürfnisse noch beachtet werden, wenn sie sie nicht mehr selbst artikulieren und durchsetzen können.

Eine Patientenverfügung zu erstellen wird von vielen versäumt, oder sie bietet zu großen Interpretationsspielraum bei der Anwendung auf den konkreten Fall.

Bei gesundheitlichen Entscheidungen (z.B. in der letzten Lebensphase) kann Ethikberatung helfen.

Klinische Ethikberatung umfasst 3 Angebote:

  • Ethische Einzelfall-Besprechung (ca. 60 min),
  • Fortbildung zu med.-ethischen Themen,
  • Unterstützung bei der Erstellung von Ethik-bezogenen Standards  sowie Patientenverfügungen.

In Krankenhäusern werden diese Aufgaben vom klinischen Ethikkomitee wahrgenommen. Kleinere Kliniken und Belegkrankenhäuser ohne eigenes Ethikkomitee können von unserem einrichtungsübergreifenden Ethikkomitee profitieren. 

Auch in Pflegeheimen, ebenso in Behinderteneinrichtungen und im ambulanten Bereich, stehen Konflikt-Entscheidungen immer wieder an, insbesondere über Behandlungen am Lebensende bei eingeschränkt oder nicht Selbstbestimmungsfähigen. Um einen Patienten-orientierten Konsens zwischen Ärzten, Pflegenden und Angehörigen (bzw. gesetzlichem Vertreter) zu erreichen, empfiehlt es sich, auch in Pflegeeinrichtungen (und für die häusliche Pflegesituation) Ethikberatungen anzubieten. (Empfehlung des Deutschen Ärztetags 2008)

Eine häufige Situation betrifft den nur eingeschränkt oder nicht mehr selbstbe­stimmungsfähigen Patienten bzw. Pflegeheim-Bewohner: Aus ärztlicher Sicht ist eine Maßnahme angezeigt, die die Angehörigen bzw. der rechtliche Vertreter ablehnen, oder umgekehrt: der Arzt hält eine bestimmte Maßnahme für nicht mehr angezeigt, aber die Angehörigen bestehen darauf. Mitunter hat das Pflegeteam eine dritte Meinung zu dem Problem oder es gibt verschiedene Meinungen innerhalb der Familie. Eine Situation der Ratlosigkeit, die dann oft in Zerwürfnissen oder vor Gericht endet.

Unstrittig haben die Angehörigen der Gesundheitsberufe ein ausgeprägtes Fürsorge-Ethos. Aber gerade das macht sie in der Konflikt-Situation zur Partei: Sie können womöglich keine Einigung mit Betroffenen herbeiführen ohne diese zu paternalisieren.

Ethikberatung moderiert die verschiedenen Perspektiven der Parteien und stellt einen konsensfähigen ethischen Begründungshorizont bereit. Dies geschieht in einem Gespräch aller Beteiligten, bei dem die Wünsche und Bedürfnisse des Patienten unter vorrangiger Berücksichtigung seines rekonstruierten Willens im Mittelpunkt stehen; so soll eine Einigung auf ein angemessenes Vorgehen herbeigeführt werden.

Beispiel: Beim Betroffenen Herrn B. ist die Situation eingetreten, dass er nicht mehr zureichend schluckt und sich häufig verschluckt. Die Hausärztin Dr. A. stellt fest, dass man die Nahrungszufuhr durch eine PEG verbessern kann. Für Pfleger P. ist das Anreichen der Nahrung bei häufigem Verschlucken zeitaufwändig, er fürchtet die Erstickungsanfälle, und dass Herr B. sich durch das Verschlucken eine Lungenentzündung zuzieht. Herr B. kann nicht mehr mit diskutieren und eine Entscheidung treffen, denn seine Demenzerkrankung ist bereits weit fortgeschritten. Dies vorhersehend hat Herr B. noch in guten Tagen seine Tochter mit einer Vollmacht versehen, die ihr erlaubt, gesundheitliche Entscheidungen in seinem Namen und nach seinem Willen zu treffen. Wünschenswert, er hätte Grundzüge dieses Willens auch in einer Patientenverfügung niedergelegt.

Wenn sich zwischen den Beteiligten nun eine Unsicherheit eingestellt hat, welches Vorgehen denn im Sinne von Herrn B. das Richtige wäre, kann man die Ethikberatung hinzuziehen, die eine ethische Fallbesprechung moderiert. Die Beteiligten sitzen am runden Tisch – in diesen Zeiten ist aber auch eine Videokonferenz möglich – und die geschulten Berater*innen moderieren die Runde mit dem Ziel, dass alle Beteiligten, die ihre unterschiedlichen Wertvorstellungen mitbringen, zu einem Konsens im Sinne des Betroffenen finden: Nach Klärung der Fakten werden durch die Ärztin die medizinischen Optionen dargestellt. Als nächstes bringt die Bevollmächtigte den vorausverfügten Willen des Betroffenen in die Diskussion ein: Dazu muss die Patientenverfügung analysiert werden; wenn es keine gibt, ist herauszufinden, was der Betroffene gewollt hätte, wenn er sich noch äußern könnte.

Die Moderation steuert weitere ethische Perspektiven bei und hilft den Konfliktparteien, gemeinsam die individuell beste Lösung zu finden und im Konsens zu bestätigen. Die Bedürfnisse der Patienten, ihre Wünsche und ihr Wille stehen dabei im Mittelpunkt. 

Zur Konkretisierung möglicher ethischer Fragestellungen finden Sie literarische Beispiele hier:

https://ethikkomitee.de/falldarstellungen/index.html

und hier: 

https://www.aerzteblatt.de/dae-plus/serie/57/Ethikberatung?page=2 

 

 

Anfragen können von Betroffenen, Angehörigen, Betreuern, Ärzten, Pflegenden und den Einrichtungen der Altenhilfe gestellt werden.

Hierzu steht Mo-Fr 8-12 das Telefon der Palliativakademie 0931 393 2281 zur Verfügung.

Wer dort seine Kontaktdaten hinterlässt, wird zeitnah von einem/r Berater_in zurückgerufen.

Die Einzelfall-Besprechung (ca. 60 min) wird moderiert durch geschulte Berater_innen mit breiten Erfahrungen in Palliativpflege, Medizinethik und verwandten Gebieten.

Die wissenschaftliche Begleitung des Projekts wird sichergestellt durch Prof. Dr. Birgitt van Oorschot, Universität Würzburg.

Grundsätzlich handelt es sich um ein bezirksweites Projekt.

Anfangs richtet sich das Angebot an Menschen und Einrichtungen
in Stadt und Landkreis Würzburg, Kitzingen, Main-Spessart (Ethikkomitee 1) sowie
in der Untermain-Region (Stadt und Lkr. Aschaffenburg, Miltenberg: Ethikkomitee 2 - Leitung: Karl Enk M.A.).
Auch Anfragen aus der Main-Rhön-Region (SW/KG/NES/HAS) können in Einzelfällen bereits jetzt beantwortet werden. Besonders für diese Region suchen wir noch Interessent_innen für eine ehrenamtliche Mitwirkung.

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